Menschen zeichnen ganz einfach: Tipps für Anfänger
Wenn Sie denken, einen Menschen zu zeichnen sei schwer, kennen Sie den Berliner Künstler Jens Hübner noch nicht. Seine Devise lautet: „Wer eine Karotte zeichnen kann, kann auch einen Menschen zeichnen!“. Was dahinter steckt, verrät er uns im Interview. Zusammen mit vielen nützlichen Tipps zu Proportionen, Mimik, Licht und Schatten und Bewegung.
Hallo Herr Hübner, Sie sind viel unterwegs und halten Ihre Reiseerinnerungen gerne künstlerisch fest. Besonders Ihre Portraits und Darstellungen von Personen haben es uns angetan. Was macht eine gute Zeichnung eines Menschen aus?
Eine Zeichnung wird langweilig, wenn alles gleich betont ist. Wenn der Kopf genauso detailliert gezeichnet ist wie die Schnürsenkel. Das stiehlt sich gegenseitig die Show. Deswegen setze ich eine Priorität – und die liegt in der Regel auf Gesicht und Händen. Der Rest ist Andeutung, also abstrakt in Kurven, Ellipsen und Bögen gezeichnet. Dann entsteht alles weitere in der Fantasie des Betrachtenden und das macht den Reiz der Zeichnung aus.
Menschen zeichnen einfach: Weniger ist mehr
Es reicht also, die Gestalt anzudeuten?
Ich erkläre das immer gerne so: Alles, was ähnlich aussieht wie ein Mensch wird schon als solcher assoziiert. Weil wir soziale Wesen sind und darauf reagieren. Wenn wir Menschen begegnen, schauen wir ihnen auf die Hände und ins Gesicht, um zu sehen: Hat der eine Keule in der Hand? Lächelt der mich an oder guckt der grimmig? Droht da Gefahr oder nicht?
Das würde doch aber heißen, dass es ganz einfach ist, einen Menschen zu zeichnen?
Wenn die Menschen in Ihrer Zeichnung nur sogenannte „Staffage“-Figuren sind, die zum Beispiel Größenverhältnisse zeigen und Dimensionen klarmachen, würde ich behaupten: Wer eine Mohrrübe zeichnen kann, kann auch Menschen zeichnen! Denn von vorne betrachtet ist die menschliche Silhouette nichts anderes als eine Mohrrübe mit zwei Auskragungen. Diese Abstraktion vereinfacht das Zeichnen enorm. Oder probieren Sie doch mal die MWO-Methode: Zeichnen Sie ein M darunter ein W und obendrüber ein O. Daraus entsteht eine Silhouette, die bereits die Assoziation „Mensch“ weckt. Das O ist der Kopf, das M der Oberkörper und das W die Beine.
Proportionen festlegen: Die Basis beim Zeichnen von Menschen
Wenn der Mensch aber das eigentliche Motiv ist und nicht nur Staffage – wie beginne ich da meine Zeichnung?
Starten Sie mit einer dünnen waagerechten Linie als untere Begrenzung. Dann setzen Sie eine obere Begrenzung. So bestimmen Sie die Größe des Motivs und die dazwischenliegenden Proportionen. Und Sie haben die Angst vor dem leeren Blatt überwunden! Denn mit zwei Linien können sie schließlich nicht viel falsch machen. Lassen Sie genug Abstand zwischen den Begrenzungen und den Rändern des Papiers, um noch Spielraum für die Szenerie zu haben. Zeichnen Sie als Markierung eine Linie genau in der Mitte zwischen den beiden Begrenzungslinien. Hier trennen sich Ober- und Unterkörper (oder auch Oberteil und Hose). Beginnen Sie dann mit dem Kopf und zeichnen Sie den Menschen von oben nach unten.
Video: Personen zeichnen Schritt für Schritt
Wie Sie einen einfachen Menschen zeichnen können, erfahren Sie in diesem Video von Jens Hübner:
Materialien zum Menschen zeichnen
Welche Materialien, Papiere und Utensilien brauche ich dafür?
Stifte, Farbe, Pinsel und Papier! Ich arbeite für Papier gerne mit Hahnemühle zusammen und war auch an einigen Produktentwicklungen beteiligt. Beispielsweise für „The Grey Book“, ein Skizzenbuch mit sehr festem, grauem Papier. Weil ich oft auf Reisen zeichne, arbeite ich sehr viel in Skizzenbüchern und nicht so viel auf Block-Material. Wenn ich mich für ein Skizzenbuch entscheiden müsste, wäre es immer das Hahnemühle Watercolour Sketch Book A5 im Hochformat. Das ist mit seinen 30 Blättern schön leicht und lässt sich gut mitnehmen. Wenn ich doch mal auf Blöcken arbeite, ist der Hahnemühle Britannia 300g, satiniert meine erste Wahl, weil ich zum Colorieren gerne mit wasservermalbaren Aquarell-Buntstiften arbeite. Satiniertes Papier hat wenig Oberflächenstruktur, was gut für solche „Abriebstifte“ ist, trotzdem ist es ein echtes Aquarellpapier, das beim Vermalen Wasser verträgt.
In über vier Jahrhunderten hat Hahnemühle die Kunst der Papierherstellung perfektioniert. Mit einer breiten Palette hochwertiger Produkte ist das deutsche Unternehmen heute ein Synonym für Qualität und Tradition. Die außergewöhnliche Papierqualität der Skizzenbücher und Künstlerblöcke verleiht Ihren Werken einzigartige Brillanz und Haltbarkeit. Ganz gleich, ob Sie Bleistiftskizzen anfertigen oder Aquarelle malen – Hahnemühle bietet Ihnen die perfekte Basis für Ihre Kreativität.
Das sollten Sie beim Zeichnen von Menschen vermeiden
Was sind typische Fehler beim Zeichnen von Menschen?
Köpfe geraten in der Regel zu groß, Hände und Füße zu klein. Außerdem neigen Menschen von Natur aus dazu, alles in geraden Linien und geometrischen Formen darstellen zu wollen. Aber in der Natur gibt es keine geraden Linien! Ich unterscheide grundsätzlich zwischen „von Menschenhand gemachten Dingen“, wie ein Haus oder ein Buch – diese Formen haben alle gerade Kanten – und Natur. Da ist alles organisch: Kein Baumstamm ist 100 Prozent gerade wie ein Laternenpfahl.
Wie schaffe ich es, dass die Proportionen meines Menschen ausgewogen sind?
In meinen Veranstaltungen und Workshops gebe ich da nur ganz grobe Maße an. Ein Maß ist zum Beispiel, dass der Körper sich mittig teilt. Oder dass der Kopf achtmal in den Körper passt. Aber vielmehr sage ich dazu auch nicht. Das Maximalformat meiner Zeichnungen ist 32 x 24 Zentimeter auf Aquarellkarton. Meine Hahnemühle-Skizzenbücher sind in der Regel DIN A5 Hochformat, das heißt aufgeschlagen A4. Da werden die Zeichnungen nicht so riesig. In diesem kleinen Format ist die zeichnerische Ungenauigkeit so groß, dass Sie sich lieber auf ihr Auge verlassen sollten, als Proportionen und Abstände akribisch auszumessen.
Menschen zeichnen: alles ganz einfach?
Also muss ich gar nicht so viel über Anatomie wissen, um Menschen realistisch darzustellen?
Realistisch ist eine schwierige Kategorie – ich würde es lieber glaubwürdig oder überzeugend nennen. Das ist nicht so schwierig, wenn man die groben Maße kennt und oft zeichnet. Dann hat man das im Blut. Viel wichtiger ist es, zu wissen, wie funktioniert Zeichnen eigentlich überhaupt? Nämlich über weglassen und betonen! Dann kann man schnell zeichnen und bezieht den Betrachtenden mit in das Erlebnis ein.
Menschen als Ganzkörper zeichnen: Verschiedene Perspektiven einnehmen
Kommt Bewegung ins Spiel wird es dann aber doch komplex. Wie gehe ich am besten vor?
Machen Sie sich klar, wie eine Person typischerweise aussieht, wenn Sie läuft, steht oder sitzt. Dann überlegen Sie, wie diese Positionen aus verschiedenen Perspektiven aussehen. Beispielweise direkt von vorne, direkt von hinten, direkt von links oder schräg von rechts. Üben Sie, diese Positionen zu zeichnen. Schaffen Sie sich ein Repertoire von etwa sechs bis acht typischen Musterpositionen. Wenn Sie diese beherrschen und wissen, wie sie auf dem Papier aussehen, können Sie damit schon sehr viel darstellen. Halten Sie sich nicht damit auf, die tatsächliche Situation im Moment abzubilden. Skizzieren Sie stattdessen Ihre Figuren immer in einer dieser erlernten Positionen, egal ob diese haargenau der Realität entspricht oder nicht. Denn die Realität ist immer nur die Anregung.
Jetzt haben wir eine zweidimensionale Zeichnung eines Menschen. Aber wie wird meine Zeichnung plastisch?
Ganz wichtig ist, dass Sie Licht und Schatten bedenken. Also dass Sie von einer Seite eine fiktive Beleuchtung haben und auf der anderen Seite Schatten. So wird das Ganze wie von Zauberhand plastisch. Das Licht kommt in 99 Prozent der Fälle von oben. Trotzdem setze ich mir immer als Erinnerung einen kleinen Pfeil in der Richtung, aus der das Licht kommt, in eine Ecke der Zeichnung.
Das Portrait: Wichtiges Element beim Zeichnen von Menschen
Hilft mir Licht und Schatten auch dabei, Mimik in das Gesicht meiner Zeichnung zu bringen?
Auch beim Porträtieren spielen Licht und Schatten eine große Rolle: Es gibt Stellen wie der Nasenrücken, die immer hell sind. Augenhöhlen sind dagegen immer dunkel. Die Unterlippe ist immer heller als die Oberlippe. Wenn man das weiß und anwendet, wird das Gesicht plastisch. Ansonsten herrschen die gleichen Regeln wie beim Figurenzeichnen: die einfachste Art ist, das Gesicht genau von vorne oder der Seite darzustellen. Außerdem sind beim Portraitieren die Augen ganz wichtig. Denn wenn wir uns ins Gesicht schauen, schauen wir in der Regel in die Augen. Diese befinden sich horizontal in der Hälfte des Gesichtes und sind ein Fünftel der Kopfbreite groß. Wenn es eigenartig aussieht, liegt es meist daran, dass die Augen zu weit auseinanderstehen oder zu groß, zu klein oder schief sind.
Was charakterisiert Ihre eigenen Zeichnungen?
Ich komme aus dem Designbereich und da müssen Zeichnungen cool und schnell sein. Mit Speedlines versehen und mit straffen, spannungsvollen Linien verbunden – ein bisschen wie bei Sketch Notes. Mit wenigen Mitteln schnell etwas aufs Papier bringen ist meine Intention. Da zeichne ich beispielsweise auch einfach nur ein Gesichtsoval. Das geht wahnsinnig schnell und sieht überzeugend aus – anstatt Nase, Auge, Mund reinzufummeln. Die zeichnerische Ungenauigkeit ist so groß, dass mir das sehr wahrscheinlich nicht gelingen wird und dann kann ich es auch gleich lassen. Dann abstrahiere ich lieber. Ich zeichne genau, aber nicht detailliert.
Wir haben viele Ihrer Zeichnungen auch auf Instagram & Co entdeckt. Welche Rolle spielt Social Media für Ihren Erfolg?
Eine ganz maßgebliche! Angefangen hat das etwa 2003 mit meinem zweiten Buch „Ein Jahr Urban Sketching“. Dafür bin einmal um die Welt gereist, um in verschiedenen Ländern zum Thema Urban Sketching zu zeichnen. Zeitgleich kam mit Facebook das erste soziale Netzwerk auf und ich habe überlegt, wie ich das für mich nutzen kann. Und so kam mir die Idee für meine Facebookseite „One Day One Sketch – Jens Hübner“, wo ich jeden Tag eine Zeichnung veröffentlichte – und bis heute tue. Und auch meine Veranstaltungen und Kurse veröffentliche ich auf Instagram und Co., weil das natürlich gute Werbung ist. Auf YouTube erkläre ich in über 50 Videos verschiedene Mal- und Zeichentechniken oder blättere durch meine vielen Skizzenbücher und erzähle etwas dazu.
Zur Person:
Jens Hübner wurde 1964 in Mecklenburg geboren. Er hat in der ehemaligen DDR Produktgestaltung studiert und besitzt ein Diplom als Industrie-Designer. Nach dem Mauerfall gründete er in Berlin ein eigenes Designbüro. Später gab der Wunsch nach einer Auszeit den Ausschlag, das Büro an seinen Geschäftspartner zu übergeben, um mit dem Fahrrad um die Welt zu fahren. Auf dieser Reise begann Hübner, seine Eindrücke in Skizzen und Zeichnungen festzuhalten. Zurück in Deutschland veröffentlichte er seine über 200 Reisaquarelle und 24 Skizzenbücher in verschiedenen Ausstellungen. Er leitet (Reise-)Workshops und arbeitet regelmäßig mit Unternehmen wie Hahnemühle zusammen. Hübner veröffentlicht jeden Tag ein Bild auf seinem Facebook-Account und gibt dort und in seinen Online-Kursen sein Wissen an Interessierte weiter. Nur im Winter hat der vielbeschäftigte Weltenbummler Zeit für seinen Lehrauftrag an einer privaten Designschule in Berlin.
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